6 Tipps zu Datenschutz & Datensicherheit

DSGVO-konform dank Dokumentenmanagement

Fachbeitrag zur IT-Sicherheit von Matthias Kunisch und Michael Steiner

Datenschutz und Datensicherheit gehören bei jedem Unternehmen, das personenbezogene Daten verarbeitet und in diesem Sinne auch Vertrags- und/oder Personalakten führt, auf die Agenda. Am 5. Mai 2017 hat der Bundestag ein neues Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verabschiedet. Damit richtet sich Deutschland rechtlich auf die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) aus, die am 25. Mai 2018 in Kraft tritt. Für Unternehmen ergeben sich aus der veränderten Gesetzeslage etliche Neuerungen, die es unbedingt zu berücksichtigen gilt. Ansonsten drohen schwerwiegende rechtliche Konsequenzen – einschließlich empfindlicher Geldstrafen. Durch den Einsatz eines modernen Dokumentenmanagementsystems (DMS) erhalten Unternehmen eine wirkungsvolle Unterstützung bei der rechtskonformen Umsetzung von Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen.

Inhaltsübersicht:

  • 1. Richten Sie ein Datenschutzmanagementsystem ein.
  • 2. Gewährleisten Sie die sichere Verfügbarkeit von Daten.
  • 3. Sichern Sie die Vertraulichkeit und Integrität Ihrer Daten.
  • 4. Erheben und verarbeiten Sie Daten ausschließlich recht- und zweckmäßig.
  • 5. Löschen Sie Daten, nachdem diese Ihren Zweck erfüllt haben.
  • 6. Seien Sie sich bewusst, dass Sie für Datenschutz und Datensicherheit verantwortlich sind.
  • Fazit

Unabhängig davon, ob es sich um Verträge, Prozessdokumentationen oder Personalunterlagen handelt – alle Dokumente, die personenbezogene Daten enthalten, erfordern aus datenschutzrechtlicher Sicht einen besonders sensiblen Umgang. Zunächst einmal legt die DSGVO einige Grundsätze hinsichtlich der Erhebung, Verarbeitung und Speicherung solcher Daten fest. Unternehmen müssen alle aktuellen Prozesse und bestehenden Systeme einer eingehenden Prüfung unterziehen und gegebenenfalls anpassen bzw. neue Prozesse und Systeme gleich unter Einhaltung aller Datenschutzbedingungen etablieren. Die folgenden sechs Tipps helfen Unternehmen dabei, ihr Daten- und Dokumentenmanagement rechtskonform zu gestalten.

1. Richten Sie ein Datenschutzmanagementsystem ein.

Die DSGVO bzw. das neue BDSG enthält strukturierte Anforderungen dazu, wie Datenschutz im Unternehmen aussehen soll. Hierbei ist von „geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen“ (Art. 5 Abs. 1b DSGVO sowie Art. 25 DSGVO) die Rede, welche die Einhaltung der Datenschutzgrundsätze garantieren sollen, um einerseits Daten vor unrechtmäßiger Verarbeitung, Verlust, Zerstörung oder Beschädigung zu schützen und andererseits die Betroffenenrechte zu wahren. Um diese Anforderungen gewährleisten zu können, müssen Unternehmen ein Datenschutzmanagementsystem einführen, das alle Prozesse und Regelungen, die das Unternehmen zur Einhaltung von Datenschutz und Datensicherheit festlegt, dokumentiert und verwaltbar macht.
An dieser Stelle kann ein modernes Dokumentenmanagementsystem dafür sorgen, dass alle erforderlichen Datenschutzunterlagen vorliegen. Dazu gehören nicht nur Dokumente wie Vertrags- und Personalakten, die direkt personenbezogene Daten enthalten, sondern auch Vorgabe- und Nachweisdokumente, beispielsweise Prozessdokumentationen wie Arbeitsanweisungen oder Einwilligungserklärungen. Entscheidend für die Einhaltung der Datenschutzanforderungen ist dabei stets die Aktualität dieser Dokumente: Arbeiten die betroffenen Mitarbeiter noch im Unternehmen? Sind die Verträge noch gültig? Haben sich unter Umständen Zuständigkeiten geändert? Ein DMS kann die regelmäßige Überprüfung automatisch veranlassen. Für die Durchführung von Zertifizierungsaudits, welche die DSGVO anzustreben empfiehlt, schafft ein DMS zudem die optimale Basis, um die Einhaltung von Datenschutz- und Datensicherheitsbestimmungen gegenüber dem Prüfer nachzuweisen.

2. Gewährleisten Sie die sichere Verfügbarkeit von Daten.

Die Systeme im Unternehmen, die personenbezogene Daten speichern und verarbeiten, müssen zuverlässig betriebsbereit sein, damit ausschließlich der berechtigte Zugriff auf relevante Daten gewährleistet ist. Ein DMS sorgt beispielsweise dafür, dass Mitarbeiter auf die für ihre Arbeit notwendigen Dokumente, wie beispielsweise Kundenverträge, verlässlich zugreifen können.
Auch aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die Verfügbarkeit wichtig: Hintergrund sind zum einen die Rechte der Betroffenen, also jener Personen, deren Daten verarbeitet werden. Mitarbeiter, Vertragspartner und Kunden haben ein Informationsrecht, wo das Unternehmen welche Daten über sie vorliegen hat und zu welchem Zweck es sie verwendet. Dank Such- und Filterfunktionen ermöglicht ein DMS den Unternehmen, schnell und einfach den Überblick über die vorhandenen Datenbestände zu behalten und damit auch die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften belegen zu können. Zum anderen müssen laut DGSVO jedwede Vorfälle, bei denen die Sicherheit personenbezogener Daten gefährdet ist, unverzüglich der jeweiligen Datenschutzbehörde anzeigt werden. Die geforderte sorgfältige Dokumentation dieser Vorfälle lässt sich nur dann fristgerecht und unkompliziert erstellen und an die Behörde übermitteln, wenn zuvor alle Prozessschritte der Datenverarbeitung – etwa mit Hilfe eines DMS – festgehalten wurden.

3. Sichern Sie die Vertraulichkeit und Integrität Ihrer Daten.

So wichtig der Zugriff auf personenbezogene Daten ist, um Unternehmens- und Arbeitgeberaufgaben adäquat erfüllen zu können, so unverzichtbar ist es auch, den Zugang zu beschränken, damit die Daten nur für diejenigen verfügbar sind, die sie tatsächlich benötigen (Vertraulichkeit). Auch wer Daten eingibt, verändert oder löscht, muss zum Schutz der Betroffenenrechte und zur Gewährleistung der Datensicherheit nachvollziehbar sein (Integrität).

Dies lässt sich beispielsweise über ein DMS lösen, das alle Versionierungen von Dokumenten protokolliert und erfasst, wer wann welche Änderungen vorgenommen hat. In einem DMS lassen sich daher rollenbasierte Zugriffsberechtigungen für bestimmte Personen oder Personengruppen einrichten. Im Sinne der Vertraulichkeit gehört beispielsweise auch dazu, dass Protokolle der Eingabekontrolle beispielsweise nur zur Gewährleistung von Informationssicherheit und Datenschutz und nicht zur Arbeitszeitkontrolle verwendet werden.

4. Erheben und verarbeiten Sie Daten ausschließlich recht- und zweckmäßig.

Rechtmäßig ist die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann, wenn eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt oder ein gesetzlicher Erlaubnis-Tatbestand besteht und die Verarbeitung für die dort bestimmten Zwecke erforderlich ist. Erforderlich ist eine solche Verarbeitung beispielsweise für die Erfüllung eines Vertrags. Entscheidend ist, dass die Datenerhebung und -verarbeitung stets an einen bestimmten Zweck gebunden ist. Damit geht einher, dass Art und Umfang dem Zweck angemessen sein müssen, also Unternehmen nicht mehr Daten verarbeiten, als notwendig ist, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen.

Mit einem DMS können Sie durch rechtskonforme Dokumentenvorlagen bzw. durch die Voreinstellung bestimmter Felder dafür sorgen, dass die Datenerhebung dieser Zweckbindung recht- und zweckmäßig entspricht. Indem Unternehmen wirklich nur jene Daten erheben und verarbeiten, die für den Vorgang – zum Beispiel für die Ausgestaltung eines Arbeits- oder Kaufvertrags – relevant sind, können Sie dokumentenbasierte Prozesse nicht nur effizienter steuern, sondern bleiben zudem in Sachen Datenschutz auf der sicheren Seite.

5. Löschen Sie Daten, nachdem diese Ihren Zweck erfüllt haben.

Insbesondere bei Vertragsunterlagen oder Personalakten scheinen die Datenschutzgrundsätze der Zweckbindung und Speicherbegrenzung den gesetzlich geforderten Aufbewahrungsfristen häufig entgegenzuwirken. Tatsächlich stehen aber die Rechte der betroffenen Personen im Vordergrund. Darum dürfen Unternehmen personenbezogene Daten nur so lange speichern, wie sie notwendig sind, um den damit verbundenen Zweck zu erfüllen. Ausnahmen gelten für „im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungs- oder statistische Zwecke“ (Art. 5 Abs. 1b DSGVO). Aber auch dann verlangt die DSGVO „geeignete technische und organisatorische Maßnahmen“ (Art. 89 Abs. 1 DSGVO ), wie etwa die Pseudonymisierung und Verschlüsselung personenbezogener Daten, um die Identität der betroffenen Personen zu schützen.

Mit einem DMS lassen sich entsprechend automatisierte Workflows anlegen, die eine Prüfung der vorliegenden Daten und Dokumente vornehmen. Dadurch lässt sich der Daten- und Dokumentenbestand eines Unternehmens hinsichtlich der noch vorhandenen oder bereits erloschenen Zweckbindung einerseits und anhand von gesetzlichen Aufbewahrungsfristen andererseits aktualisieren. Hat ein Unternehmen beispielsweise eine vakante Stelle besetzt, sind die dafür eingereichten Unterlagen und Daten von Bewerbern zu löschen. Ist ein Vertrag zwar nicht mehr aktiv, muss aber noch für eine bestimmte Zeit zu Revisionszwecken aufbewahrt werden, sollten Unternehmen jene Bestandteile mit personenbezogenen Daten entfernen, die für die Revision nicht von Belang sind.

6. Seien Sie sich bewusst, dass Sie für Datenschutz und Datensicherheit verantwortlich sind.

Grundsätzlich ist jedes Unternehmen, das personenbezogene Daten erhebt, speichert oder nutzt, für die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben verantwortlich. Datenschutz und Datensicherheit sind vom Unternehmen selbst sicherzustellen. Das gilt auch dann, wenn Sie beispielsweise einen externen Dienstleister beauftragen oder eine vom Hersteller gehostete Softwarelösung für die Datenverarbeitung – zum Beispiel ein DMS – einsetzen. Neu ist laut DSGVO, dass der Anbieter oder sogenannte Auftragsverarbeiter zusätzlich zum Auftraggeber in der Verantwortung steht. Beiden Seiten drohen im Falle eines Verstoßes gegen die Datenschutzvorschriften Bußgelder von bis zu 20 Millionen Euro bzw. von vier Prozent des weltweit generierten Umsatzes.

Für Unternehmen sollte das gestiegene Strafmaß also Motivation genug sein, um bei der Datenverarbeitung bzw. der Beauftragung selbiger auf die Rechtsvorschriften zu achten –unabhängig davon, ob die Daten auf dem eigenen Server im Keller, auf externen Serverfarmen im In- und Ausland liegen oder in der Cloud gehostet werden. Achten Sie darauf, wen Sie mit der Verarbeitung der Daten beauftragen, und schließen Sie einen entsprechenden Auftragsverarbeitungsvertrag. Die gute Nachricht: Musste ein solcher Vertrag zwischen Auftragsverarbeiter und dem für die Verarbeitung Verantwortlichen, also dem Unternehmen, bisher schriftlich vorliegen, genügt laut DSGVO die elektronische Form. Auch hier kann ein DMS dabei unterstützen, dass ein solcher Vertrag aktuell gültig und rechtskonform vorliegt. Natürlich ist auch das Dokumentenmanagementsystem unter Datenschutzaspekten, wie etwa einem rechtskonformen Hosting, nachweisbaren Zertifikaten und entsprechenden Features für Zugriffsregelungen, Fristenkontrollen und Verfügbarkeit, gewissenhaft auszuwählen.

Fazit

Ein Dokumentenmanagementsystem leistet wirkungsvolle Unterstützung für ein rechtskonformes Daten- und Dokumentenmanagement gemäß neuester Gesetzesanforderungen. Das erspart Unternehmen jede Menge Ärger – und im Ernstfall sogar rechtliche Konsequenzen. Die DSGVO verlangt zudem die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten – auch wenn Sie bereits einen IT-Sicherheitsbeauftragen haben. Als Unternehmensunabhängiger verantwortet er die Umsetzung und Einhaltung der Verordnung. Noch ein letzter Tipp: Sehen Sie diese Pflicht als Chance, kompetente Unterstützung zu erhalten, um Ihr Datenmanagement für die Zukunft auf ein rechtssicheres Fundament zu stellen.

Quelle: http://www.wissensmanagement.net/zeitschrift/archiv/fachbeitraege/ausgabe/artikel/dsgvo_konform_dank_dokumentenmanagement_sechs_tipps_zu_datenschutz_datensicherheit.html

Posted on Mai - 13 - 2018 customer-knowledge-management

Interview zur Wissensvermittlung

Wissensvermittlung muss sich revolutionieren

Digitalisierung, lebenslanges Lernen, neue Konzepte der Wissensvermittlung, innovative Formen des Wissensmanagements – die Hochschullandschaft darf sich neuen Trends nicht verschließen. Präsenzunterricht und Lehre nach dem Gießkannenprinzip haben längst ausgedient. Lernen muss sich revolutionieren. Bildung ist gefordert, sich neu zu erfinden. Aber wie soll das funktionieren? Und wie lässt sich Wissenserwerb an die Anforderungen der Generationen Y und Z anpassen? Wissensmanagement – Das Magazin für Digitalisierung, Vernetzung & Collaboration“ hat bei Manuel Nitzsche nachgefragt. Er ist als Regional Director beim LMS-Anbieter Instructure für den deutschsprachigen Raum verantwortlich.

Inhaltsübersicht:

  • Wie wollen Sie Vermittlung und Management von Wissen revolutionieren?
  • Wie können Hochschulen von Technologie profitieren?
  • Welche Methoden schlagen Sie vor?
  • Wie verändern sich die Aufnahme und Nutzung von Wissen?
  • Und Wissensvermittler? Warum sollte man neue Wege gehen?
  • Wie lassen sich Technologie, Organisation und Informationsfluss optimal aufeinander ausrichten?
  • Sie betonen den Begriff Cloud native, was hat es damit auf sich?
  • Lebenslanges Lernen – bieten Sie hierzu die Voraussetzung oder braucht es deutlich mehr?
  • Und was begeistert Sie privat?

Die reine Vermittlung von Fakten-Wissen schafft heutzutage kaum Mehrwert. Denn zum einen vermehrt sich Wissen im traditionellen Verständnis rasch und veraltet entsprechend schnell, zum anderen machen neue Technologien Wissen zeitnah und überall verfügbar. Das schafft Herausforderungen, aber auch Freiheiten. Konsultiert man Studien wie den „The Future of Jobs“ Report des World Economic Forum, wird klar: Der Arbeitsmarkt verändert sich nachhaltig, neue Kompetenzen werden benötigt, andere obsolet. Entsprechend müssen sich HR-Abteilungen neu erfinden, Fähigkeiten in der Belegschaft gezielt aufbauen, Mitarbeiter weiterbilden und Talente – externe wie interne – zur Erreichung des Unternehmensziels koordinieren.

wissensmanagement: Herr Nitzsche, wie wollen Sie Vermittlung und Management von Wissen revolutionieren?

Manuel Nitzsche: Neu erfinden müssen sich aber vor allem Bildungseinrichtungen, denn sie bereiten Menschen auf Leben sowie Arbeitsmarkt vor und begleiten diese während des ganzen Arbeitslebens. In der Regel sind Hochschulen, Fachhochschulen und Business Schools die Orte, wo – über Fakten-Wissen hinaus – die essentiellen und geforderten Kompetenzen vermittelt werden: Lösung komplexer Aufgaben, kritisches und zielorientiertes Denken, Kreativität, kooperatives Arbeiten, soziale Skills und Ähnliches.

Kurzum: Mehrwert entsteht, wenn sich Bildung darauf konzentriert, Fähigkeiten zu vermitteln, die der Computer nicht hat und dabei das Effizienz-Potenzial des Computers nutzt. Kompetenz statt Wissen. Eine Revolution? Wenn wir von der vierten industriellen Revolution sprechen, kann man die konsequente Antwort darauf vielleicht ebenfalls als revolutionär bezeichnen. Mithilfe von Technologie Lehren und Lernen einfacher und effizienter machen – das ist unsere Idee.

wm: Wie können Hochschulen als Vermittler von Wissen und Bildung von Technologie profitieren?

Nitzsche: Hochschulen bilden aus, vermitteln Wissen und treiben Forschung voran. Technologie kann in all diesen Bereichen große Vorteile verschaffen und hat es in den rund 20 Jahren, seitdem E-Learning an deutschen Hochschulen genutzt wird, getan. Mit dem Fortschritt der Technik ist heute noch deutlich mehr möglich geworden.

Der Hebel für eine bessere und individuellere Hochschulbildung liegt dabei nicht nur in der Verlagerung der Lehre auf eine digitale Plattform. Entscheidend ist, dass mithilfe von Technik kollaboratives Lernen und neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Lehrenden, Lernenden und Organisationen entstehen. Ob Videokonferenzen, virtuelle Sprechstunden oder Video-Teaching – die Ergänzung der Lehr- und Lernformen durch Online-Angebote ermöglicht motivierende und individualisierte Lernerlebnisse, die so im bisherigen Hochschulbetrieb nicht möglich waren. Moderne Kollaborationstools und ein Learning Management System als integrierende Plattform schaffen das Fundament, um sich auf die neuen Erfordernisse auszurichten. Davon profitieren Lehrende, Lernenden und Hochschulen gleichermaßen.

wm: Welche Methoden schlagen Sie vor?

Nitzsche: Grundsätzlich sollten Lehrprogramme die Anforderungen des späteren Anwendungsfeldes möglichst aufgreifen und praxisorientiert darauf vorbereiten. Die digitale Hochschule hat hier ein deutlich umfangreicheres methodisches Portfolio. Blended Learning etwa kombiniert Präsenz- und Online-Lernen geschickt, Analysen geben Auskunft über Lernfortschritte und optimieren Lernerfahrungen.

Im Hinblick auf die notwendigen kollaborativen Kompetenzen könnten Studierende beispielsweise auf Basis von Case Studies lernen und gemeinsam Ideen und Lösungen für praktische Anforderungen entwickeln. Auch bei der Leistungsbewertung können neue Wege gegangen werden. Peer Reviewing, bei dem Studierende ihre Leistungen gegenseitig bewerten, ist im angloamerikanischen Raum heute bereits sehr verbreitet. Eine Königsmethode gibt es aber nicht, stattdessen sorgt Vielfalt für mehr Freiheit beim Lehren und Lernen.

wm: Wie verändern sich die Aufnahme und Nutzung von Wissen?

Nitzsche: Genauso wie man im beruflichen Umfeld von „Flexible Working“ spricht, ist auch das Lernen nicht mehr zwingend an feste Zeiten oder einen festen Ort gebunden. Das kommt übrigens auch den Anforderungen der Generation Y und Z entgegen.

Es ist schon seit länger Zeit bekannt, dass es verschiedene Lerntypen gibt, die neben dem bevorzugten Medium (Text, Audio, Video) auch unterschiedliche Biorhythmen haben, unterschiedlich schnell vorgehen wollen und unterschiedlich viel Zeit am Stück zur Verfügung haben. Aufnahme und Nutzen von Wissen folgt keinen festen Regeln und lässt sich nach meiner Erfahrung auch nur schwerlich standardisieren. Setzt man nun Technik als Unterstützung beim Lernen ein, kann man – ohne enorme Zusatzaufwände – auch auf die individuellen Präferenzen der Lernenden eingehen.

wm: Und Wissensvermittler? Warum sollte man neue Wege gehen?

Nitzsche: Aus der Änderung des Wissensbegriffes und den geänderten Anforderungen unseres Alltags ergibt sich auch eine neue Rolle des Wissensvermittlers. Dieser sollte aus meiner Sicht standardisierte Formen der Wissensvermittlung durch eine dynamischere und individuellere Form der Kompetenzentwicklung ersetzen. Dabei darf es aber nicht darum gehen, alles abzuschaffen, was wir heute kennen – zum Beispiel die Präsenzlehre. Diese hat ihre Stärken! Es geht vielmehr darum, bewährte Lehr- und Lernformate zu erweitern – um die Möglichkeit der dezentralen Kollaboration, um neue Medien und um zeit- und ortsunabhängiges Lernen. Der Wissensvermittler orchestriert dabei alle Formate auf Basis seiner inhaltlichen und didaktischen Kompetenz und kann die Inhalte zudem ständig aktuell halten.

wm: Wie lassen sich letztlich Technologie, Organisation und Informationsfluss optimal aufeinander ausrichten?

Nitzsche: Dies ist der eigentliche Kernpunkt und eine zentrale Aufgabe bei der Digitalisierung: Technologie und Prozesse müssen intelligent aufeinander abgestimmt sein. Dabei muss klar sein, dass neue Technologie nicht zum Selbstzweck eingeführt wird, sondern dazu dient, neue didaktische Ansätze zu unterstützen. Beispielsweise: Wie kann Technologie helfen, wenn aus klassischer Präsenzlehre der Inverted Classroom werden soll?

Am Anfang steht also ein neues Konzept, eine Strategie wie Blended Learning, um beschränkte Ressourcen möglichst effizient einsetzen zu können. Dazu müssen Prozesse betrachtet (Was passiert heute noch analog und sollte morgen virtuell abgebildet werden?) und die richtige Technologie einsetzt werden. Etwa ein cloudbasiertes Learning Management System, um die Präsenzlehre online anreichern zu können.

wm: Sie betonen den Begriff Cloud native, was hat es damit auf sich?

Nitzsche: Cloud native als moderne Bereitstellung von Software bedeutet, dass die Software von Anfang an für die Nutzung in der Cloud vorgesehen war. Im Gegensatz dazu wird oftmals schon dort von Cloud gesprochen, wo eine Anwendung lediglich über das Internet bereitgestellt wird, ursprünglich aber zur lokalen Installation konzipiert wurde. Das mag sich spitzfindig anhören, hat aber enorme Konsequenzen. Denken Sie nur an die häufigen Android-Release-Wechsel oder notwendige funktionale Erweiterungen. Bei einem Cloud native LMS erledigt das der Anbieter oder Sie bedienen sich im App-Store. Bei anderen Anwendungen sind beide Fälle zwar auch lösbar, erfordern aber Plugins oder einen direkten Eingriff in den Anwendungskern. Bei späteren Updates offenbaren sich dann die Inkompatibilitäten oder auch gravierende Sicherheitslücken. Das ist für eine Hochschule mit laufendem Lehrbetrieb völlig inakzeptabel.

wm: Lebenslanges Lernen – bieten Sie hierzu die Voraussetzung oder braucht es deutlich mehr?

Nitzsche: Technisch bieten wir mit Canvas sehr gute technische Voraussetzung für lebenslanges Lernen. Letztendlich aber müssen Bildungseinrichtungen für sich selbst entscheiden, ob und wie sie Weiterbildungsangebote anbieten. Das geschieht auch. Ich sehe, dass Hochschulen sich zunehmend öffnen und Angebote für „externe“ Studierende schaffen – nicht nur für die klassischen Gasthörer. Auch ist es für Arbeitnehmer durchaus üblich geworden, einen weiteren Studiengang wie einen MBA nach einigen Berufsjahren parallel zum Beruf zu absolvieren. Arbeitgeber haben erkannt, dass sie ihren Mitarbeitern Weiterbildungsmöglichkeiten einräumen müssen, um diese weiterzuentwickeln, für die Herausforderungen der Arbeitswelt fit zu machen und sie gleichzeitig an das Unternehmen zu binden. Politisch könnten Weiterbildungsangebote noch besser unterstützt werden. Ich könnte mir beispielsweise Bildungszeit in Anlehnung an Familien- oder Pflegezeit vorstellen. Insgesamt liegen für alle Bildungseinrichtungen hier enorme Möglichkeiten.

wm: Und was begeistert Sie privat?

Nitzsche: Mir persönlich ist es wichtig, in der Freizeit einen Ausgleich zum oft hektischen Alltag zu finden und dennoch regelmäßig den eigenen Horizont zu erweitern. Dazu gehören zum Beispiel Reisen, Schach spielen und – ganz wichtig – der Austausch mit Freunden, die in anderen Lebensumständen und ganz unterschiedlichen Disziplinen tätig sind.

wm: Herr Nitzsche, vielen Dank für das Gespräch.

Quelle: http://www.wissensmanagement.net/zeitschrift/archiv/fachbeitraege/ausgabe/artikel/wissensvermittlung_muss_sich_revolutionieren.html?no_cache=1&tx_voipaidcontent_pi1%5Btest%5D=test

Posted on Mai - 5 - 2018 customer-knowledge-management