Fachbeitrag zur Digitalisierung von Matthias Hintenaus
Wenn die Beschäftigten eines Unternehmens mit einer Knowledge-Management-Infrastruktur erst nach Informationen und Wissen suchen müssen, hat der Knowledge Manager im Grunde schon versagt. Denn eigentlich, so die Theorie, sollte er nur die Struktur kommunizieren, die er für das Wissen der Organisation aufgebaut hat. Dann müsste jeder sofort wissen, wo das gerade benötigte Wissen zu finden ist. Mit dem Streben nach Struktur und Ordnung ist es indes wie mit der Suche nach dem Gral: Man wird sie nie erreichen. Aus dem einfachen Grund, dass ein extrem volatiles Ziel verfolgt wird, mit stetig wachsenden oder sogar explodierenden Datenmengen und Typen, die es zu bewältigen gilt.
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Immer wieder trifft man auch auf „unfreundliche“ Nutzer, welche die bereitgestellten Taxonomien, Ontologien und andere Ordnungsprinzipien einfach nicht lernen wollen. Sie möchten lieber geradeheraus Fragen stellen, anstatt Suchen so zu formulieren, dass sie den vorhandenen Strukturierungsprinzipien entsprechen.
Hier hilft intelligente Suche. Mit ihr lassen sich Informationen und deren Beziehungen in sehr großen Datenmengen markieren, klassifizieren und verfolgen. Sie strukturiert und kategorisiert so Daten und erzeugt aus ihnen Informationen und Wissen darüber, worum es bei Texten und „Inhalten“ geht. Ebenso analysiert intelligente Suche Fragen in natürlicher Sprache, den Kontext des Fragestellenden (Position, Arbeitsgebiet, Historie früherer Fragen) und kann so relevante Antworten geben.
Wird intelligente Unternehmenssuche also das Wissensmanagement und sogar die Knowledge Manager ersetzen? Nein, sie wird vielmehr die Arbeit erleichtern bzw. angesichts der Datenflut überhaupt erst durchführbar machen. Sie macht die Arbeit des Knowledge Managers interessanter, indem sie es ihm ermöglicht, sich auf seine Kernkompetenzen als Datenkurator und Bewahrer des Unternehmenswissens zu konzentrieren.
Suche nach Wissen
Liefert Unternehmenssuche nicht bloß Inhaltslisten mit bestimmten Schlüsselwörtern? Ursprünglich vielleicht einmal, doch haben intelligente Suchtechnologien dieses Stadium schon lange hinter sich gelassen. Heute geht es darum, Fragen so prägnant wie möglich zu beantworten.
Wer eine spezifische Frage zu einem Produkt hat, wird nicht mehr unter einer Lawine von Produktbroschüren, technischen Spezifikationen und Handbüchern, MDM-Daten usw. begraben. Sondern er enthält relevante Auszüge aus den Inhaltsquellen. Anders kann Wissensübermittlung es auch gar nicht funktionieren, wenn Dokumente Hunderte von Seiten umfassen. Niemand hat die Zeit, auf der Suche nach der einen gewünschten Information alles durchzublättern.
Nützlichkeit hängt also von der „intelligenten“ Extraktion des Wesentlichen aus einem großen Wust an Daten ab. Eine solche Extraktion liefert Informationen, die sich nicht nur auf den Inhalt der Frage beziehen, sondern auch auf die Identität der fragenden Person. Zum Beispiel muss deren Arbeitskontext bei der Auswahl der relevanten Antworten eine Rolle spielen. Eine Forscherin im pharmazeutischen Labor könnte die gleiche Frage zu einem Produkt stellen wie ihr Kollege im Vertrieb, und doch werden beide sehr unterschiedliche Antworten erwarten: die eine möchte Inhaltsstoffe, aktive Moleküle oder Ergebnisse klinischer Studien angezeigt bekommen, der andere die vierteljährlichen Umsätze pro Region.
Dies bezeichnet man als die „Query Intent“. Sie erfordert ein ganzes Arsenal ausgefeilter technischer Funktionen, um wirklich zielgruppenspezifische Antworten geben zu können. Die Funktionen müssen intelligent kombiniert und tief miteinander integriert sein, um effektiv zu sein. Sie müssen in der Lage sein, mit riesigen Mengen sehr unterschiedlicher Daten umzugehen und dennoch in Sekundenschnelle Antworten zu liefern.
Wissen aus allen Datenquellen
Man denke nur an Kraftwerke, Züge, Flugzeuge, Satelliten und andere Produkte, die jahrzehntelang gewartet werden müssen. Deren Komplexität ist so groß, dass Dokumentation und Daten in die Millionen von Dokumenten und Milliarden von Datensätzen gehen. Deren Formate ändern sich im Laufe des Lebenszyklus der Produkte, weshalb die Vielfalt der Datenquellen, aus denen Wissen gewonnen werden kann und muss, noch einmal zunimmt. Eine intelligente Enterprise Search-Plattform, die Knowledge Worker unterstützt, muss mit all diesen Datenquellen zurechtkommen, so dass kein Wissen jemals verloren geht.
Kategorisierung von Inhalten
Enterprise Search hilft dabei, Daten und Inhalte automatisch zu kennzeichnen und zu kategorisieren. Sie verwendet natürliche Sprachverarbeitung und KI, um relevante Begriffe (Entitäten) und Beziehungen zwischen ihnen zu extrahieren. Anschließend kann man die Ergebnisse verifizieren bzw. korrigieren. Das intelligente System lernt aus diesen Korrekturen von Anwendern, so dass sie nicht im Laufe der Zeit alles immer wieder überprüfen müssen. Intelligente Unternehmenssuche spürt auch sensible Daten auf, die geschützt und vielleicht sogar gelöscht werden müssen. Etwa persönlich identifizierbare Informationen (PII), die nur so lange aufbewahrt werden dürfen, bis sie ihren Zweck erfüllt haben. Und sie findet solche Daten, die internen oder externen Compliance-Regeln unterliegen. Damit sinkt das Risiko kostspieliger Verstöße gegen DSGVO oder CCPA.
Geschwindigkeit
Geschwindigkeit bei der Wissensentdeckung bedeutet zunächst einmal Einsparung von Zeit und Geld. Wenn jeder Beschäftigte ein paar Stunden Zeit pro Woche spart, summiert sich das bei entsprechender Unternehmensgröße zu einer ansehnlichen Summe. Sogar das Generieren zusätzlicher Umsätze ist dadurch möglich. So gelang es einem Pharmaunternehmen mit der Lösung von Sinequa, den Zulassungsprozess bei der FDA / EMA zu beschleunigen und damit ein Produkt schneller auf den Markt zu bringen. Von Corona-Impfstoffen einmal abgesehen, die auf eine derart große Nachfrage treffen, dass auch für „Nachzügler“ genug Marktanteile übrig bleiben, ist es im umkämpften Pharmamarkt ein enormer Wettbewerbsvorteil, wenn man hier vor Konkurrenten auf dem Markt ist. Denn normalerweise dauert eine Zulassung zwischen einem und 1,5 Jahren. Selbst wenige Tage schneller zu sein, kann sofort über Millionen entscheiden, da die Tagesumsätze bei einzelnen Medikamenten enorm sind.
Es kann aber um viel mehr als um Gewinn und Umsatz gehen, nämlich um Menschenleben. Man denke an einen Störfall in einem Kernreaktor. Auch wenn die erste Generation von Ingenieuren, welche die Reaktoren einst errichtet hat und genauestens kannte, inzwischen im Ruhestand ist, so hoffen wir doch alle stark, dass auch ihre Nachfolger innerhalb von Sekunden die Informationen finden, um kompetent zu reagieren – auch wenn sie in ihrem Berufsleben zuvor noch nie mit einem solchen Fall zu tun hatten.
Sicherheit
Wissen muss innerhalb des Unternehmens zirkulieren, es will erfasst, geteilt und weitergegeben werden. Gleichzeitig muss man dabei aber Zugriffsrechte respektieren, um vertrauliches Wissen und das Recht auf Privatsphäre zu schützen. Sicherheit ist keine Funktionalität, die nachträglich an eine Suchmaschine angehängt werden kann. Sie muss von Anfang ihr inhärenter Bestandteil sein.
Anwendungsfälle
Die beiden klassischen KM-Anwendungsfälle für intelligente Suche lauten „Was wissen wir über dieses Thema?“ und „Wer weiß es?“ Beide sind komplexer, als die Fragen es vermuten lassen. Bei der ersten Frage hängt das „Was“ vom „Wir“ ab. Der Arbeitskontext der fragenden Person bestimmt, welches Wissen vermittelt werden muss. Bei der zweiten Frage umfasst das „Wer“ nicht nur eine Liste einzelner Experten, sondern möglicherweise ein Netzwerk von Experten aus verschiedenen Bereichen. In einem Pharmaunternehmen können dies Personen aus der Pharmakologie, Medizin, Biologie, Genetik sein und sogar Patentanwälte.
Heutzutage sind viele Anwendungsfälle spezifisch für bestimmte Kategorien von Anwendern, während andere generisch sein können und jeden im Unternehmen betreffen. Sie werden meist als Apps auf einer Enterprise Search-Plattform implementiert, die als Search Based Applications (SBAs) bezeichnet werden. Die Beispiele reichen von den trivialsten Fragen – „Wann fährt der nächste Bus zum Flughafen?“ – bis zu komplexen wie „Wer hat in unserer Kanzlei in den letzten 5 Jahren an Fällen von Geldwäsche gearbeitet?“
Fazit
Intelligente Unternehmenssuche macht die Arbeit des Knowledge Managers sowie aller Personen im Unternehmen einfacher. Sie hilft Zeit und Geld zu sparen, Risiken zu reduzieren und Katastrophen zu vermeiden. Über spezifische ROI-Berechnungen hinaus liegt es daher auf der Hand: Auch Organisationen mit einer bereits installierten Knowledge-Management-Infrastruktur kommen ohne zusätzliche intelligente Unternehmenssuche heute nicht mehr aus, wenn sie die Datenflut beherrschbar machen wollen.
Quelle: https://www.wissensmanagement.net/themen/artikel/artikel/intelligente_unternehmenssuche_haelt_knowledge_management_lebensfaehig.html?no_
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