Die wahren Werte wissensbasierter Organisationen
Inhaltsübersicht:
- Wissensgesellschaft und Innovationskompetenz
- Intellektuelles Kapital (IC)
- Das Intellectual Capital Management System
- Objektive Vergleichsbasis
- Das modulare IC-System
Konventionelle Bewertungsmethoden können einige fundamentale Werttreiber nicht erfassen. Ebenso wenig die Problemlösungsfähigkeit, die der Treiber für die Innovationskompetenz ist. Deshalb findet das intellektuelle Kapital (IC) zunehmend Beachtung. Es gibt viele Modelle zur IC-Bewertung, jedoch wurde keines zu einem Standard. Die Suche nach dem idealen Instrument führte zum Intellectual Capital Management System, das isoliert für Statusaufnahmen eingesetzt oder mit weiteren Bewertungsinstrumenten kombiniert wird. Das modulare System ermöglicht eine individuelle Verknüpfung der verfügbaren Instrumente.
Wissensgesellschaft und Innovationskompetenz
Wissensgesellschaft und Innovationskompetenz sind zurzeit populäre Terminologien, die bei vielen Gelegenheiten verwendet, jedoch unterschiedlich interpretiert werden. Für deren Verständnis nimmt die Differenzierung von Information und Wissen eine prominente Rolle ein.
Eine qualitative Differenz zwischen Information und Wissen besteht darin, dass Information punktuell ist, während Wissen das Verständnis von Zusammenhängen erfordert: Die Kreation von Wissen setzt die Einbettung von Informationen in Kontexte voraus. Auch für diese Vorgänge offeriert die IT Lösungen: Expertensysteme und andere Systeme der künstlichen Intelligenz demonstrieren erstaunliche Resultate; sie eignen sich jedoch nur für spezifische, vertikale Fragestellungen und sind für polyvalente Anwendungen (noch) nicht erhältlich.
Um aktuelle Wissensbestände zu erweitern, zu erneuern oder zu berichtigten, steht der Mensch als Instrument im Fokus, denn nur er kann den Entwicklungsprozess von Informationen zu Expertenwissen verarbeiten: Erinnern > Beobachten > Erkennen > Begreifen > Kombinieren > Schlussfolgern etc. sind menschliche Tätigkeiten in der Wissensentwicklung.
Auf den obersten Stufen resultieren sie als (menschengebundene) Erfahrung und Expertise. Mitarbeitende mit diesen Fähigkeitsmerkmalen sind „schwer zu ersetzen“. Übergeordnete Ziele der Wissensarbeit sind die Konsolidierung und die Weiterentwicklung der organisationalen Kernkompetenzen, welche primär auf der individuellen Erfahrung und der Expertise der Mitarbeitenden beruhen. Konsolidierung heißt in diesem Kontext, identifizierte Wissensträger zu binden und deren implizites Wissen mit innovativen organisationalen Prozessmodellen zu transferieren. Wissensentwicklung setzt eine „High-Trust-Kultur“ voraus, die Freiräume bietet und Anreize zur Wissensteilung bietet. Konklusion: Informationsmanagement ist ein unverzichtbares Instrument, welches die Konvertierung von Daten zu Informationen sowie deren Speicherung, Verteilung und Wiederauffindbarkeit ermöglicht. Wissensmanagement ist hingegen auf den Mensch fokussiert.
Intellektuelles Kapital (IC)
Vor ungefähr zwei Dekaden hat die akademische Welt entdeckt, dass sich der wahre Wert einer Organisation nicht alleine mit finanziellen Kennzahlen bestimmen lässt. Spätestens seit der kürzlichen Finanzkrise hat auch die Finanzwelt realisiert, dass die konventionellen Bewertungsmethoden einige fundamentale Werttreiber nicht erfassen; zum Beispiel auch die organisationale Problemlösungsfähigkeit, die maßgebend für die Innovationskompetenz ist. Seither findet die Terminologie Intellektuelles Kapital, engl. Intellectual Capital (IC), zunehmend Beachtung.
Verschiedenste Modelle zur Bewertung, Steuerung und Kommunikation des intellektuellen Kapitals wurden vorgestellt, jedoch erlangte keines den Status eines Standards. Einige der Ansätze sind schlicht zu kompliziert für eine effiziente Anwendung. Andere sind zu spezifisch auf die jeweils berichtende Organisation bezogen, was bei deren Interpretation ein vertieftes Verständnis der immateriellen Ressourcenprozesse voraussetzt. Allen bisher vorgestellten Ansätzen ist gemeinsam, dass die Berichterstattung nicht standardisiert ist. Dies führt dazu, dass interne und externe Entscheidungsträger wenig oder kein Interesse zeigen, sich mit einem Instrument auseinanderzusetzen, welches keine Benchmarkfähigkeit offeriert.
Das Intellectual Capital Management System
Auch der Autor unterlag anfänglich dem Irrtum, dass für die IC-Bewertung eine allgemeingültige Indikator-Methode definierbar sei und fand schließlich über ein klassisches „Lesson-Learned“ eine alternative, jedoch praktikable Lösung: Anfang der neunziger Jahre versuchten Qualitätsverantwortliche von multinationalen Unternehmen mit einem Indikatorsystem zu definieren, wie die Produktequalität gemessen werden kann und vergleichbar wird. Sie realisierten schnell, dass dies selbst für gleichartige Organisationen nicht möglich ist, geschweige denn für Vergleiche von verschiedenen Sektoren. Sie kamen zum Fazit, dass es keine standardisierte Indikator-Metrik für die Produktequalität geben kann: Einerseits würden die Unternehmen unter Umständen verpflichtet, Geschäftsgeheimnisse offen zu legen. Andererseits kann es nicht sein, dass für die Hersteller von Werkzeugmaschinen dieselbe Norm wie für die Produzenten von Textilien gilt.
Also suchten die Qualitätsmanager nach einer alternativen Lösung: Nicht die resultierende Qualität (Was ist herausgekommen?) soll beurteilt werden, sondern der Weg dazu (Wie wird’s gemacht?), indem die eingesetzten Prozesse und Instrumente zur Qualitätssicherung überprüft werden. Daraus ist das etablierte ISO-9000 entstanden. Was für das Qualitätsmanagement gut ist, gilt auch für das Intellectual Capital Management (IC Management). Verglichen mit einer Indikator-Metrik unterscheidet sich der nachstehend beschriebene Ansatz auch dadurch, dass die Resultate nicht auf vergangenheitsbezogenen Daten basieren, sondern die prospektiv ausgerichtete Pflege des IC Managements aufzeigt: Das Intellectual Capital Management System (ICMS) untersucht, welche Instrumente und Prozesse eingesetzt werden, um die wichtig(st)e Ressource Wissen nachhaltig zu pflegen.
Objektive Vergleichsbasis
Das ICMS untersucht humane, instrumentale, soziale und organisationale Aspekte, festgehalten in 58 konkreten Forderungen. Die Berichterstattung unterscheidet sich von ISO-9000 insofern, dass anstelle einer „digitalen Bewertung“ (Forderung erfüllt: Ja/Nein?) untersucht wird, wie gut eine Forderung erfüllt wird: Eine Taxonomie (bestmögliche Erfüllung als Referenz) ermöglicht einen harmonisierten Vergleich von wissensbasierten Organisationen, unabhängig von deren Größen und Sektoren.
Die Idee hinter dem ICMS-Ansatz ist die Ermöglichung objektiver Vergleiche, wie gut auditierte Organisationen auf die Herausforderungen der Wissensgesellschaft vorbereitet sind. Die Berichtsform zeigt keine Resultate von Wissensinitiativen, sie dokumentiert die „organisationale Fitness“ der Problemlösungs- und der Innovationskompetenz und — als eine Kausale — der ökonomischen Überlebensfähigkeit. Grundsätzlich ist jede berichtende Organisation verpflichtet, zu jeder der 58 Forderungen Stellung zu nehmen: Sie tut ja fraglos bereits etwas für jede der IC-Komponenten, auch wenn dies nicht mit den oben aufgeführten Terminologien erfolgt. Freilich ist es denkbar, dass bestimmte Forderungen effektiv keine Relevanz haben. In diesem Fall ist die berichtende Organisation verpflichtet, dies stichhaltig zu begründen. Dieses Vorgehen bringt mit sich, dass erkannt werden kann, welche der wissensbasierten Maßnahmen optimierungsfähig sind resp. systematischer gestaltet werden können. Das ICMS deckt neben den drei IC-Kategorien auch übergeordnete Aspekte des IC-Managements ab, welche mit der Verpflichtung der obersten Leitung die wichtigste Voraussetzung für eine wissensbasierte Unternehmenskultur schaffen.
Das modulare IC-System
Abhängig von den individuellen Charakteristiken und Zielen der organisationalen Wissensinitiativen kann das ICMS mit anderen IC-Instrumenten verknüpft werden. Das resultierende modulare System unterstützt alle Aspekte der Wissensarbeit, die im Kontext mit dem Management der Innovationskompetenz stehen: Identifikation, Steuerung, Messung und Kommunikation immaterieller Werte und deren Pflege.
Alle Instrumente können isoliert eingesetzt werden, um spezifische Wissens-Prozesse zu systematisieren. Oder sie können entsprechend den Zielen von Wissens-Initiativen und der gewünschten Berichtsform gemäß nachstehend aufgeführten Kombinationen individuell verknüpft werden:
Wissensmatrix + BSC
Ein effizienter Ansatz für die Identifikation, Steuerung und Messung von IC-Prozessen, jedoch limitiert auf interne Verwendung > Keine Kommunikations-Eignung.
Wissensmatrix + Wissensbilanz
„Wissensbilanz light“: Die Inhalte sind extrem organisationsspezifisch und von Außenstehenden schwerlich zu interpretieren > Keine Benchmark-Fähigkeit.
Wissensmatrix + BSC + Wissensbilanz
Architektur der Mehrzahl von bisher publizierter Wissensbilanzen > Keine harmonisierte Berichterstattung.
Knowledge Matrix + BSC + ICMS + Wissensbilanz
Komplettes Instrument für eine nachhaltige Wissensarbeit und deren Kommunikation an externe und interne Zielgruppen > Die harmonisierten ICMS-Berichte erlauben ein Benchmarking unterschiedlichster Organisationen.
Wissensmatrix + ICMS
Komplettes IC-Audit Instrument zum langfristigen Monitoring der Wissensarbeit. Geeignet für dezentralisierte oder multidivisionale Organisationen zur Durchführung interner Benchmark-Vergleiche und/oder Best Practices Analysen.
Literatur:
Dieses Skriptum ist die Kurzfassung eines Beitrags zum Wettbewerb «Knowledge and Intellectual Capital management in organizations: towards encouraging innovation», welcher von der autonomen Universität Madrid in Kooperation mit Accenture ausgeschrieben wurde. Die deutschsprachige Übersetzung des vollständigen Beitrags können Sie hier herunterladen: www.hrm-auer.ch/downloads/UAM_ACCENTURE_2010_Auer_D.pdf
Quelle: https://www.wissensmanagement.net/zeitschrift/archiv/fachbeitraege/ausgabe/artikel/intellektuelles_kapital_die_wahren_werte_wissensbasierter_organisationen.html